Zündstoff Wikileaks, gefährliche Netzanarchisten oder wichtige Informationengeber?
Julian Assange heißt momentan der Staatsfeind Nummer 1 in Amerika. Peinlicher geht es nicht mehr. Das US-Außenministerium, allen voran Hilary Clinton, haben es nicht geschafft, die Veröffentlichung von über 250 000 Daten und Meinungen gestern Abend zu verhindern. Spiegel online hat seine Informationen vor der offiziell geplanten Veröffentlichung ins WWW gestellt, Stunden früher, als vorgesehen. Aufgrund der Brisanz der Lage. Und warum? Weil einfach nichts mehr sicher zu sein scheint in dieser digitalisierten Welt und weil alles durchsickert, Kontrollverlust pur, und das an oberster Stelle ebenso wie beim gläsernen Normalo auf der Straße. Spiegel musste, um einen Hauch von Exklusivität vorzugaukeln, seine Strategie ändern. Spiegel ist aber bei weitem nicht der einzige Wikileaks-Nutznießer, weltweit arbeiten hunderte ähnlich gelagerter Informationsschriften mit Wikileaks zusammen. The Guardian, New York Times etc.etc.
Dabei ist es völlig egal, wer was über wen denkt, denn das war schon immer, wenn wir ein wenig nachdenken, in sämtlichen Klatschblättchen und Tageszeitungen zu lesen. Es ist nichts Neues, dass Guido Westerwelle aggressiv ist, dass die Kanzlerin Angela Merkel zögerlich taktiert und dass der Posten des Entwicklungshilfeministers Dirk Niebel eine „schräge“ Angelegenheit ist. Das Problem ist, dass Amerika nicht in der Lage war, Daten zu schützen. Ein paar Klicks reichen aus, um an sensibelste Daten zu kommen, und das auch noch anonym.
Die Tragweite des Ganzen, was da gerade passiert, ist kaum auszumachen. Das System wurde nach Nine Eleven geändert, geändert in ein System, welches eine weltweite Zusammenarbeit schneller und effizienter macht im Falle von Bedrohungen. Dazu wurde es „geöffnet“. Verschlüsselte Daten können leichter entschlüsselt werden. Eigentlich ist dieses System ein geschütztes Intranet auf höchster Ebene mit weltweitem Zugriff. Wenn es dazu missbraucht wird, die Reputation von Regierungen anzugreifen, ist das äußerst kontraproduktiv und ohne Grund gefährlich.
Ab sofort wird heuchlerische Diplomatie Einzug halten in allen Bereichen. Scheinheilig und fremdelnd, denn alles, was gesagt wird, kommt irgendwann aufs Tablett. Auf der anderen Seite wird der seriöse, gute Journalismus die große Aufgabe haben, um in Zukunft best informiert und best recherchiert aus diesem Datenüberfluss Wichtiges und Richtiges weiterzugeben, wie z.B. die Einschätzungen aktuell zu Nordkorea, Irak, Jemen oder China, Dinge eben, die relevant sind für Krieg und Frieden. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein konstitutives Element der Demokratie. Gesetze werden übergangen. Wenn man schon Informanten für sich und seine geldbringende Arbeit in Anspruch nimmt, dann müssen diese Informanten zukünftig besser ausgesucht und geschützt werden.
Es geht allen an die Substanz. Lügen werden aufgedeckt, Meinungen hinter vorgehaltener Hand werden hinterfragt, der Umgang unter Freunden wird ängstlicher. Alles, was man sagt, könnte bald gegen denjenigen sein. Laut Wikileaks ändert sich die Welt, die Weltgeschichte wird umgeschrieben. Die Informationspolitik ändert sich dramatisch, sie wird in ihren Möglichkeiten in vielfacher Potenz über die Welt hereinbrechen.