Inemuri, die japanische Art, alt zu werden
Erneut wird der angeblich älteste Mensch der Welt gesucht, und erneut in Japan. Fusa Furuya, 113 Jahre alt und laut Einwohnermelderegister die älteste Einwohnerin Tokios.
Der letzte angeblich älteste Mensch der Welt, Sogen Kato, für den bis zu seinem majästetischen Alter in der Höhe 111 Jahren die Rente überwiesen wurde, lag nämlich schon seit 33 Jahren tot in seinem Zimmer, als die Polizei nach ihm suchte.
Die Behörden waren stutzig geworden, weil die Familie die städtischen Beamten immer wieder abwimmelte, wenn sie kamen, um zu gratulieren. Mal hieß es, der Opa sei auf Reisen, ein anderes Mal, er sei zu schwach, um Besucher zu empfangen. Ein Enkel von Sogen Kato ging dann schließlich zur Polizei und erzählte folgende Geschichte: Der Großvater habe sich vor mehr als 30 Jahren in sein Zimmer zurückgezogen, um durch Fasten zum lebenden Buddha zu werden. Was bei Kukai, dem Gründer des Shingon-Buddhismus vor mehr als 1000 Jahren der Legende nach klappte, ging bei Kato aber schief. „Als wir dieses Jahr im März nachschauten, fanden wir nur das Skelett unseres Großvaters“, berichtete der Enkel. Dass die Angehörigen die ganzen Jahre Katos Rente kassierten, hat der Familie nun neben Ermittlungen wegen Vernachlässigung der Fürsorgepflicht auch ein Verfahren wegen Betrugs eingebracht.
Mehr als 44 Über-100-Jährige werden schon vermisst. Sozialminister Akira Nagatsuma kündigte prompt an, bei allen Hochbetagten, die Rente bekommen, zu kontrollieren, ob sie noch leben. Immerhin 40 000 Menschen in Japan sind laut amtlichen Statistiken älter als 100. Die Rentenkassen haben viel zu tun.
Fusa Furuya jedoch empfängt schon seit langem keine Rente mehr, dafür bezahlt eine ihrer Töchter, selbst im Alter von 79 Jahren, brav die Krankenkassenbeiträge für die Mama, obwohl niemand weiß, wo Fusa Furuya ist und ob sie überhaupt noch lebt. Die Tochter habe seit mehr als 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mama und ist der Meinung, sie wohne bei einem Sohn. Dort fanden die Beamten aber nur ein verlassenes Haus. Den Sohn haben sie dann entdeckt, die Mutter nicht. In diesem Falle muss man also von etwaigen Verdächtigungen völlig absehen. Es gibt solche und solche, auch in Japan.
Es scheint ja wirklich wahr zu sein, dass die ältesten Menschen meistens aus Japan stammen. Warum das so ist, liegt wohl an deren Ernährung und an irgendeinem Muschelkalk. Denn die Lebensweise in Japan ist alles andere als gesundheitsfördernd. Eines der bekanntesten Phänomene wird Karoshi genannt und bedeutet Tod durch Überarbeitung. Aufgrund der extremen Identifizierung mit der eigenen Firma vernachlässigen einige Angestellte die Bedürfnisse ihres Körpers. Inemuri, kurze Nickerchen, zum Beispiel in der U-Bahn oder bei öffentlichen Veranstaltungen, ist ein weiteres Phänomen. Und, der extreme Leistungsdruck führt bei manchen Menschen zu Versagensängsten, was so weit gehen kann, dass Menschen ihr Zimmer nicht mehr verlassen, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen. Dieses Phänomen wird Hikikomori genannt.
Naja, Sogen Kato’s Nickerchen, sein Inemuri, hat etwas länger gedauert, nämlich 33 Jahre. Mal sehen, wie lange die anderen vermissten über 100Jährigen in Japan schon geschlafen haben.
Statistiken lassen sich halt manipulieren.